Oppa Urlaub Style – Tag 3: Der Gewaltmarsch

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Von wunderschönem Gezwitscher, nicht von Vögeln, sondern von Ampeln, die das als Signalton verwenden, werden wir noch vor dem Wecker geweckt. Noch etwas verkatert von den gestrigen Anstrengungen, entschließen wir uns, nach der Morgentoilette wieder die Betten aufzusuchen und mit Hilfe unserer Laptops unsere News-Feeds zu kontrollieren. Jedenfalls kurz, für eine ausführliche Information fehlt uns die Zeit. Danach machen wir uns bereit und bieten unsere Stirn zum ersten mal Seoul, jedenfalls in diesem Ausmaß.

IMG_5019Wir besteigen zunächst die nahegelegene U-Bahn. Schon nach einigen wenigen Minuten bin ich komplett orientierungslos und renne wie ein Schäferhund hinter Max her. Max hat den Durchblick, Max weiß wo es lang geht und Max hat den Plan. Erster Halt ist Dondeamun-gu, bei dem wir über den Schuhmarkt schlendern und uns durchkämpfen. Schuhmarkt ist etwas glorifiziert, es ist eine nicht enden wollende Anneinderreihung von kleinen Klitschen, die ihre Waren ohne Karton aufeinander gestapelt anbieten. Für uns beide bietet sich kein klares System, wie das alles hier aufgebaut ist und es ist uns eigentlich auch egal. Die Schuhe sind uns sowieso zu klein. Nebenbei machen wir einen Abstecher zum Fluss Dongsomun-ro, der auf mich wie eine kleine Naturoase wirkt. Dem Reiseführer kann ich entnehmen, daß der bis vor einigen Jahren noch unterirdisch verlaufen ist. Wir schlendern noch etwas semi-geplant durch die Gegend und stoßen auf das Dongdaemun Gate (Heunginjimun Gate).

 

Aber im Grunde gibt es dort nicht besonders viel zu sehen. Betreten selbst kann man das nicht, nur einmal kurz drum-herum laufen. Vorausgesetzt, daß man nicht von Autos überfahren wird. Wo wir beim Thema Straßenverkehr sind, der IMG_5026in Korea ist eine Mischung aus Deutschland und Indien. Sehr durchstrukturiert. Gehupt wird bei jeder Gelegenheit und für die Motorräder und Mofas gelten gesonderte Regeln. Hier gelten offensichtlich andere als für Fußgänger, was anfangs und dann noch eine ganze Weile sehr befremdlich ist. Neben dem Gate gibt es einen kleinen Park, in dem Reste der alten Festungsmauer übrig geblieben sind, durch den schlendern wir auch kurz und entdecken einige Einheimische, die Mittagspause machen.

Wir machen einen Abstecher durch die koreanische Variante des Galeria Kaufhofs und essen im Food Court zu Mittag. Nicht unbedingt wegen des Essens, aber wir brauchen einfach beide eine kleine Pause. Etwas planlos schlendern wir umher und stellen fest, daß der Großteil nicht in Schriftzeichen erklärt wird, IMG_5028die wir verstehen. Ich glaube wir sind dann in der Thai Abteilung hängen geblieben und haben uns irgendwas mit Schwein und Nudeln ausgesucht.

Nächster Abstecher ist Jung-gu und der dortige Schrein Jongmyo. Fortuna ist auf unserer Seite und so kommen wir gerade noch rechtzeitig zur einzigen englischen Führung des Tages. Hier wird uns erklärt, daß Jongmyo ein konfuzianischer Schrein ist, exklusiv für das Königshaus der Joseon Dynastie. Das Motto des ganzen Schreins ist Understatement durch und durch. Wie uns die nette Reiseführerin, in historisch korrekter Kleidung, erklärt. Das hat damit zu tun, daß es eine strikte Hierarchie gibt und daß die Monarchen, die das Zeitliche gesegnet haben, nun einmal nicht so wichtig sind wie die die gerade amtierenden.

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Selbst im Ahnenreich fällt die Scheiße immer nach unten. Über diesen eigenen Gedanken immer noch etwas schmunzelnd, kommen wir in Angug-dong an. Hier ist das immer noch bewohnte Handwerker-Viertel. Beim Schlendern wird mir wieder der stellenweise krasse Gegensatz bewusst. Immer wieder gibt es den Kontrast von hochmodernen Bauten und dann gibt es in deren Schatten kleine Hintergassen, die sich anscheinend die letzten 150 Jahre kaum verändert haben. Bretterbuden ist da noch eine schöne Umschreibung. So auch hier in diesem Viertel, bloß sind es hier keine Prunkbauten von Firmen, sondern von kleinen selbständigen Handwerkern.

Hier sehen wir auch ein paar besondere Beispiele koreanischer Baukunst, die mich als Deutschen recht zum Schmunzeln gebracht haben. Wie zum Beispiel den Strommast nach “deutschem Standard”

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Oder die Garage, die zu klein für das eigene Auto ist.

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Aber am besten fand ich die Garage, die am Hang gebaut wurde.

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Hier wurden eindeutig andere Maßstäbe angewandt.

Der Tag neigt sich ganz langsam dem Ende zu und ich habe mittlerweile den Spaß aufgegeben, ab und an meinen IMG_5178Schrittzähler zu kontrollieren. Als ich die 20 Kilometermarke erreicht hatte, hatte ich keine Lust mehr, diesen weiter zu verfolgen. Allerdings war ich mit dieser Einstellung nicht alleine. Auch andere hier waren die Personifikation von Ausdauer, Kraft und Motivation.

Wir wollten als letztes noch zu dem Seoul N Tower in Angug-Dong, doch es stellte sich ein kleines Problem auf dem Weg zur U-Bahnstation ein. Anscheinend hat sich unser Plan mit einer Demo überschnitten und wir kommen an sprichwörtlichen Hundertschafften von Polizei in Riot Gear vorbei, die auf etwas warten.

 

Wir sehen mehrere Wasserwerfer, bei denen immer ein LKW mit Wassertank im Schlepptau war. Je näher wir der Station kommen, umso kürzer werden die Abstände der Polizei- Einheiten, bis ich schließlich einen der Touristen-Informanten frage was los ist. Der erzählt mir in etwas holprigem Englisch etwas von einer Demo gegen den Premier-IMG_5293Minister oder so was. Ich kann mich auch nicht mehr so genau erinnern. Aber das war schon ein Erlebnis, als wir schließlich in die nähere Umgebung der U-Bahn Station kamen. Egal wo man hinsieht Polizei. Die Dutzende von Bussen, mit denen sie vermutlich angereist sind, sind wie Straßensperren aufgestellt. Um ganz sicher zu gehen, daß niemand Durchbrechen kann, stehen bestimmt 20 bis 30 Polizisten in mehreren Reihen hintereinander. Hinter jedem möglichen Durchgang, der zwischen zwei Bussen entsteht.

 

So wie die Demonstranten, die innerhalb der Absperrung herum standen, ihre Fahnen hoch hielten und dabei in Sprechchöre riefen, sah das alles nicht besonders bedrohlich aus. Die Stimmung war auch nicht so, als würde sie in absehbarer Zeit kippen und in Gewalt umschlagen. Aber von so etwas habe ich keine Ahnung und was am Wichtigsten war, es war alles friedlich. Die Polizei war zwar vorbereitet, stand aber nur herum, hat IMG_5298abgesperrt und sah stellenweise recht gelangweilt aus.

 

Kurz vor dem Eingang der Station hat die Polizei einen menschlichen Trichter gebildet, so daß jeder, der hinein wollte dies einzeln machen musste. Dies hat für eine größere Menschenmenge im Trichterbereich gesorgt und da die Polizisten so aufgestellt waren, daß sie (und ihre Schilde) in den Trichter sahen, war dies eine etwas befremdliche Erfahrung. Aber ich als offensichtlicher Ausländer und Tourist habe mir keinerlei Gedanken gemacht, Max war die ganze Situation jedoch nicht so geheuer. Aber wir sind problemlos in die Station gekommen und haben uns auf nach Yeyang-dong gemacht und auf die Suche nach der Seilstation für den N Seoul Tower. Nach anfänglichem Suchen haben wir auch die Seilbahn Station gefunden und haben uns IMG_5310angestellt. Als wir da waren und uns ein bis anderthalb Stunden rumgedrückt hatten, durften wir Karten kaufen. Nur um uns an der Schlange für die Seilbahn anstellen zu dürfen. Dies hat wieder eine Stunde gedauert, mittlerweile ist die Sonne untergegangen und ich beerdige meine Hoffnungen noch ein gescheites Foto zu bekommen. Aber natürlich wäre das Erlebnis nicht komplett gewesen, ohne das obligatorische schreiende Kind, das sich irgendwo in der Menge versteckt. Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon beinahe 12 Stunden unterwegs, meine Kraftreserven sind fast aufgebraucht und jeder dieser schrillen Schreie erzeugte bei mir Gewaltfantasien, die mit Humanismus nicht viel zu tun haben. Einer der Angestellten schreit etwas auf koreanisch, was wohl so etwas wie aufschließen bedeutete und unser Bewegungsfreiraum wurde noch kleiner, als wir endlich in die Seilbahn durften. Das ganze Erlebnis hat mich etwas an einen Schlachthof erinnert, wie wir da abgezählt in einen Metallkäfig geführt wurden. Aber nach wenigen Minuten sind wir auf der Station auf dem Berg und wir werden von Menschenmassen begrüßt, meine Motivation ist nur noch in homöopathischen Dosen zu finden und wir sehen uns kurz um. In den Stunden, die wir mit Warten verbracht haben, hatten wir beschlossen im Hancook essen zu gehen. Dies ist das Restaurant, das “die neue koreanische Küche” anbietet. Also machen wir etwas, ihr könnt es euch bestimmt schon denken, wir stellen uns an der Schlange des Kartenschalters an. Denn, um auf die Aussichtsplatform und/oder ins Restaurant dort zu kommen, müssen gesonderte Tickets gekauft werden.

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Mein Nervenkostüm ist mittlerweile sehr dünn gestrickt. Zwischen Chinesen, die sich laut schreiend unterhalten, Kindern die auch laut schreien, einer permanenten Musikbeschallung aus Lautsprechern, stellen wir uns bei der Schlange für die Fahrstühle an. Da wir eine Karte mit Restaurantbesuch haben, werden wir “priorisiert” behandelt. Sprich, wir werden gleich zu dem Fahrstuhl geführt, was auch gut war. Wir haben nur noch knappe anderthalb Stunden, bis Hancook keine Bestellungen mehr annimmt und wir haben auch noch eine halbe Stunde Wartezeit bis wir in das Restaurant dürfen.

Endlich auf der Aussichtsplattform angekommen und nachdem wir einen Termin im Restaurant besichtigt haben, suche ich mir die nächst beste Sitzgelegenheit. Die sind nämlich in Korea so gut wie nicht existent und ruhe mich etwas aus. Ich habe keine Ahnung mehr wie viele Stunden ich schon mit Rumstehen und Warten verbracht habe, ohne mich setzen oder groß bewegen zu dürfen. Es braucht ein bisschen bis ich mich etwas erholt habe und dem nächtlichen Schauspiel des Lichtermeers, das sich Seoul nennt, etwas abgewinnen kann.

Doch dann trifft mich eine etwas befremdliche Erkenntnis, wer auf den Tower rauf ist, muss auch wieder herunter. Sofort bilden sich in meinen Gedanken endlose Warteschlangen, doch ich verdränge dieses hypothetische Gedankenszenario und wir betreten das Hancook. Mit einem gefüllten Bauch sieht die Welt bestimmt schöner aus. Max bestellte sich ein Hauptgericht aus Rind (glaube ich) und ich orderte mir Dorsch (es gibt drei Hauptgerichte zur Auswahl). Beides war überaus lecker und nebenher gab es ein Buffet aus koreanischen Köstlichkeilten.

IMG_5323Jedesmal, wenn ich mir etwas auf den Teller auflud, (den ich erst einmal organisieren durfte, da alle leer waren) nahm ich mir vor, mir zu merken, was dies war. Sobald dich am Tisch angekommen war, habe ich fast alles wieder vergessen. Die Chinesen, die sich in dieses Restaurant getraut haben (wir haben pro Person insgesamt vielleicht 45 € bezahlt) haben erstaunliche, statische Konstruktionen mit ihrem Essen angestellt. Jeder einzelne muss wohl Architekt sein, so hoch wie sie ihre Türmchen gestapelt haben. Aber wenigstens haben sie hier die Klappe gehalten, jedenfalls die meiste Zeit.

Nach dem Essen sah die Welt wirklich etwas besser aus, aber vor der Realität hat es auch nicht geholfen. Wir durften uns anstellen, um mit dem Fahrstuhl den Tower verlassen zu dürfen und dann wieder, um in die Seilbahn zu kommen. Die Kinder haben, aufgrund ihrer Müdigkeit, mehr Ähnlichkeiten mit schlecht kalibrierten Echoloten als mit Kindern gehabt. Ich konnte das durchaus nachvollziehen. Aber dieser permanente Schallbeschuss aus multiplen Vektoren war extrem anstrengend. Nach einer knappen Stunde oder so haben wir es geschafft, das Warten in Schlangen hinter uns zu lassen. Auf zum Hotel, auf zur Dusche und auf zum Bett.

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